Siebenschläfer: Wettervorhersage dank Bauernregel?
ZULETZT Aktualisiert: 16. Oktober 2023
„Wie das Wetter am Siebenschläfer sich verhält, ist es sieben Wochen lang bestellt“ – das besagt eine alte Bauernregel. Gemeint ist damit der 27. Juni, der sogenannte Siebenschläfer. Wenn es an diesem Tag verregnet ist, so die volkstümliche Annahme, dann regnet es in den kommenden sieben Wochen. Aus heutiger Sicht mag das wenig verlässlich klingen. Doch der Siebenschläfer findet immer noch Beachtung – nicht nur unter Bauern. Was also ist dran an diesem Mythos? Kann eine solche Bauernregel wirklich stimmen?
Siebenschläfer: ein heimisches Nagetier
Wer einen Zusammenhang zwischen dem Siebenschläfertag und dem gleichnamigen Nagetier vermutet, liegt falsch. Der Siebenschläfer, ein nachtaktives Nagetier aus der Familie der Bilche, hat mit dem Siebenschläfertag nichts zu tun. Das Tier des Jahres 2004 heißt so, weil lange vermutet wurde, dass er sich für einen siebenmonatigen Winterschlaf unter der Erde eingräbt. Inzwischen ist bekannt, dass es eher acht bis neun Monate sind. An der Namensgebung des mausähnlichen Wesens wird dieser Fakt aber wohl nichts mehr ändern.
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Die sieben Schläfer von Ephesus
Neben seiner Funktion als Lostag für die Wettervorhersage dient der Siebenschläfertag als christlicher Gedenktag für die sieben Schläfer von Ephesus – daher der Name. Bei den sieben Schläfern von Ephesus handelt es sich um eine sehr alte Legende, die sowohl im Christentum als auch im Islam vorkommt. Ihr zufolge sollen sieben junge Christen Zuflucht in einer Höhle nahe Ephesus in der heutigen Türkei gesucht haben. Christenverfolgungen waren zu dieser Zeit unter Kaiser Decius (249–251 n. Chr.) an der Tagesordnung.
Der Legende nach wurde das Versteck der sieben Christen entdeckt und ihre Verfolger haben sie bei lebendigem Leib in der Höhle eingemauert. Doch die gefangenen Christen sollen nicht gestorben, sondern in einen 195 Jahre andauernden Schlaf gefallen sein. Am 27. Juni 446 n. Chr., so die Erzählung, wurden die eingemauerten Christen durch Zufall entdeckt. Daraufhin sollen sie erwacht sein, ihren Glauben an die Auferstehung der Toten bezeugt haben und anschließend endgültig verstorben sein.
Siebenschläfertag eigentlich zehn Tage später
Bei näherer Betrachtung der Legende der sieben Schläfer von Ephesus fällt auf, dass der Siebenschläfertag heute eigentlich auf den 7. Juli fallen müsste. Denn die sieben Schläfer von Ephesus sind zwar am 27. Juni 446 n. Chr. erwacht, im Jahr 1582 wurde jedoch auf den gregorianischen Kalender umgestellt. Dadurch verschob sich alles zehn Tage nach hinten. Der 27. Juni ist dennoch bis heute der Siebenschläfertag geblieben, auch wenn es genau genommen der 7. Juli sein müsste. Dieses Detail ist vor allem für den meteorologischen Aspekt dieser Bauernregel wichtig.
Stimmen Bauernregeln wie der Siebenschläfertag?
„Wenn’s am Siebenschläfer regnet, sind wir sieben Wochen mit Regen gesegnet.“ Was wie ein Mythos klingt, ist in Wirklichkeit keiner. So ganz stimmt die Bauernregel zwar nicht, allerdings konnten Meteorologen Zusammenhänge mit dem Wetter Anfang Juli und dem Wetter der darauffolgenden Wochen erkennen. So soll die Prognose des Siebenschläfertages in Süddeutschland zu 60 bis 70 Prozent zutreffen, in München sogar in 80 Prozent der Fälle.
Hintergrund ist die vom sogenannten Jetstream abhängige Großwetterlage, die sich in der Regel um die Zeit des Siebenschläfers zu stabilisieren beginnt. Als Jetstream werden Starkwindbänder bezeichnet, die maßgeblichen Einfluss auf unsere Wetterlage haben. Befinden sich die Starkwinde etwa im Norden, ziehen Tiefdruckgebiete (Wolken und Niederschlag) Richtung Nordeuropa und die Hochdruckgebiete (blauer Himmel) können sich im südlichen Mitteleuropa ausbreiten. Die Folge wäre in diesem Fall gutes Wetter für einen längeren Zeitraum. Auf Norddeutschland lässt sich diese Regel aufgrund des maritim geprägten Klimas nicht anwenden.
Siebenschläfertag richtig angewandt
Am Mythos Siebenschläfertag ist also grundsätzlich etwas dran, solange man es mit dem Datum nicht allzu genau nimmt. Der Meteorologe Franz Baur gilt als Begründer der langfristigen Wettervorhersage. Er konnte nachweisen, dass die Bauernregel tatsächlich um den Zeitraum zwischen dem 5. und 10. Juli recht häufig zutrifft. Ist das Wetter zu dieser Zeit besonders gut oder schlecht, so ist zumindest im südlichen Teil Deutschlands die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das Wetter der Wochen darauf ähnlich wird.
Was hat ein religiöser Gedenktag mit dem Wetter zu tun?
Warum die Siebenschläfer-Bauernregel auf einen religiösen Gedenktag fällt, ist nicht geklärt. Bei näherer Betrachtung der Thematik erscheint die Zusammenlegung der beiden Tage aber nicht ganz abwegig. Bauernregeln stammen aus einer Zeit, in der es kaum wissenschaftliche Erkenntnisse gab. Alles, was die einfache Bevölkerung wusste, stand in der Bibel oder wurde beobachtet und von Generation zu Generation weitergegeben. Auch Bauernregeln basieren auf Beobachtungen. Das Wetter war für die landwirtschaftlich geprägte Bevölkerung von großer Bedeutung.
Es ist also davon auszugehen, dass die Menschen im süddeutschen Raum aufgrund von Wetterbeobachtungen eine Regelmäßigkeit vom Siebenschläfertag ausgehend festgestellt haben. Und die gibt es wirklich, wie wir heute wissen. Dass dabei genau der Gedenktag der sieben Schläfer von Ephesus als Lostag ausgewählt wurde, könnte an der starken Verbundenheit der Bevölkerung zur Kirche gelegen haben. Die Behauptung, dass an diesem Tag das Wetter für die kommenden sieben Wochen bestimmt wird, könnte dann wiederum mit dem Namen des christlichen Gedenktages zusammenhängen.
Aus heutiger Sicht würde man nicht von genau sieben Wochen ausgehen. Meteorologen sprechen eher von einem guten beziehungsweise schlechten Hochsommer, der mit großer Wahrscheinlichkeit auf den Siebenschläfertag folgt.