Cannabidiol, abgekürzt CBD, hat in den letzten Jahren für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Drogerien, Kioske, Tankstellen und neu eröffnete CBD-Shops buhlten EU-weit online und in Ladengeschäften mit den unterschiedlichsten CBD-Produkten um zahlungsbereite Kundschaft – und tun es größtenteils heute noch. Und das, obwohl die aktuelle Rechtslage in der EU alles andere als klar ist. Das Geschäft mit Cannabidiol boomt und die vielversprechend klingenden Produkte suggerieren ein erstaunlich breites Anwendungsspektrum. Doch was ist dran am CBD-Hype? Taugt Cannabidiol als Schlaf- und Beruhigungsmittel?
Was ist Cannabidiol / CBD?
Cannabidiol (CBD) ist eines von mehr als 100 bekannten Cannabinoiden, die in der echten Hanfpflanze (lat. Cannabis sativa) vorkommen. Zusammen mit Tetrahydrocannabinol (THC) gehört es zu den bekanntesten und am meisten erforschten Cannabinoiden. Am meisten erforscht heißt aber nicht unbedingt gut erforscht. Im Vergleich zu anderen Medikamenten ist die Datenlage für THC und CBD noch relativ dünn. Derzeit fehlt es vor allem an ausreichend Langzeitstudien, um verlässliche Aussagen zur Wirksamkeit und Verträglichkeit von sowohl THC als auch CBD treffen zu können. Trotzdem ist das medizinische Potenzial beider Stoffe beeindruckend.
Wie wirkt Cannabidiol / CBD?
Das wichtigste vorweg: Cannabidiol (CBD) löst keinen Rauschzustand aus. Das High-Gefühl beim Cannabiskonsum wird vor allem durch Tetrahydrocannabinol (THC) verursacht. Deshalb wird CBD häufig als nicht-psychotrop oder nicht-psychoaktiv beschreiben. Zwar soll CBD auch auf die Psyche wirken, allerdings antipsychotisch und eben nicht berauschend.
Aktuellen Erkenntnissen zufolge kann Cannabidiol angstlösend, antidepressiv, entzündungshemmend, antibakteriell, antipsychotisch und antiepileptisch wirken. Auch von einer beruhigenden Wirkung, etwa gegen Stress oder zur Verbesserung der Schlafqualität, ist immer wieder die Rede. Wie CBD aber tatsächlich auf einen wirkt, ist individuell sehr unterschiedlich. Bei einigen Menschen wirkt der Stoff eher anregend. Die Menge des verabreichten CBD kann ebenfalls zu unterschiedlichen Wirkungen führen.
Cannabidiol für alle: CBD als Lifestyleprodukt
Der CBD-Hype der letzten Jahre wirkt skurril. Ein vermeintliches Wundermittel kommt wie aus dem Nichts auf den Markt und soll angeblich bei den meistverbreiteten Alltagsbeschwerden unserer Gesellschaft helfen. Das klingt nicht nur zu schön, um wahr zu sein, das ist es auch. Nicht nur fehlt die wissenschaftliche Grundlage für CBD-Lifestyleprodukte, viel zu oft ist auch gar nicht drin, was auf der Packung steht. Als die Stiftung Warentest Anfang 2021 17 frei erhältliche CBD-Produkte untersucht hat, fielen nicht nur Abweichungen vom angegeben CBD-Gehalt auf, viermal war auch der THC-Gehalt höher als erlaubt.
Das Geschäft mit freiverkäuflichem Cannabidiol hat immense Ausmaße angenommen. Vieles wird über die sozialen Medien propagiert. Bekannte Gesichter mischen kräftig mit und versuchen ihre eigenen CBD-Produkte unters Volk zu bringen. Gerade in den sozialen Medien werden unzählige Anwendungsbeispiele und recht blumige Wirkungsversprechen gegeben. Auf den Produkten selbst und auf den Websites der Hersteller wird es diesbezüglich schon kryptischer – und das hat mit der derzeitigen Rechtslage in Deutschland und der EU zu tun.
Ist CBD legal oder illegal?
CBD ist in Deutschland grundsätzlich nicht illegal. 2020 hat der Europäische Gerichtshof sogar entschieden, dass Cannabidiol nicht als Betäubungsmittel anzusehen ist und in der EU gehandelt werden darf. Viele hatten sich von dem Urteil mehr Klarheit zum Umgang mit CBD-Produkten erhofft. Doch die Rechtslage in Deutschland bleibt kompliziert.
In Deutschland dürfen nur weiterverarbeitete CBD-Produkte ohne THC oder mit einem THC-Gehalt von maximal 0,2 % verkauft werden. Das sind zum Beispiel Cremes, Öle beziehungsweise Tropfen und auch Liquids für E-Zigaretten. Unverarbeitete Produkte wie die Blüten der Pflanze oder Tees sind dagegen nicht erlaubt, sagen die einen. Andere behaupten, wenn diese unverarbeiteten Produkte aus zertifiziertem Saatgut stammen, das in der EU angebaut wurde, können sie nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fallen und wären somit eigentlich legal.
„Eigentlich“ beschreibt die Misere der hiesigen Rechtslage sehr gut. So ganz scheint sich niemand – inklusive der Justiz – sicher zu sein, was im Bereich Cannabidiol legal oder illegal ist. Die Gesetze sollen in jedem Fall einen „Missbrauch zu Rauschzwecken“ verhindern. Dass dies aktuell bei Cremes, Ölen oder E-Zigaretten ausgeschlossen wird, aber nicht bei Blüten und Tees, deckt sich nicht mit aktuellen Erkenntnissen und wirkt paradox.
Zumindest etwas Licht ins Dunkel bringt die Vorgabe, dass zum Verzehr geeignete CBD-Produkte als Lebensmittel gelten, Cannabidiol in der EU aber nicht als Lebensmittel zugelassen ist. Somit wäre ein CBD-Tee illegal. Um diese Vorgabe zu umgehen, versuchen sich Händler an Schlupflöchern und vermarkten etwa CBD-Öl – das eigentlich in Tropfenform oral eingenommen wird – als Aroma- oder Kosmetik-Öl, welches zwar im Mundraum bewegt, aber nicht heruntergeschluckt werden darf.
Nicht alles, was Sie kaufen können, ist legal
Dass derzeit jeder seine eigene Interpretation der Gesetzeslage zu Cannabidiol hat, führt in der Praxis dazu, dass Händler mit allen Mitteln versuchen, ihre Produkte zu verkaufen, daran aber regelmäßig von den Behörden gehindert werden. Gerichte haben die Umdeklarierung von zum Verzehr vorgesehenen CBD-Produkten bereits als Versuch gewertet, Gesetze zu umgehen. Regelmäßig werden auf dem Markt erhältliche Artikel verboten. Auch Razzien in CBD-Shops kommen immer wieder vor. Händler versuchen indessen, neue Schlupflöcher zu finden. Es gleicht einem Katz-und-Maus-Spiel. Gehen Sie deshalb nicht davon aus, dass es sich um ein unbedenkliches CBD-Produkt handelt, nur weil Sie es vermeintlich legal erworben haben.
Gut zu wissen: Besondere Vorsicht gilt bei angeblichen CBD-Produkten, deren Herkunft nicht genau bekannt ist. So sind vornehmlich auf dem Schwarzmarkt, häufig gehandelt auf den Sozialen Medien, Produkte wie E-Zigaretten-Liquids im Umlauf, auf denen zwar CBD draufsteht, tatsächlich aber gefährliche synthetische Cannabinoide mit Rauschwirkung und hohem Abhängigkeitspotenzial drin sind.
Cannabidiol als Arzneimittel
Derzeit gibt es nur ein zugelassenes Medikament, das Cannabidiol enthält. Epidyolex kann seit Ende 2019 in Deutschland bei zwei seltenen Formen der Epilepsie verschrieben werden. In der Zulassungsstudie konnte das hoch dosierte CBD-Medikament die Anfälle bei Personen, die am Dravet-Syndrom (DS) oder Lennox-Gastaut-Syndrom (LGS) erkrankt sind, um etwa ein Drittel reduzieren. Bei einer Erkrankung, die häufig zum Tod führt, ist das ein beachtlicher therapeutischer Erfolg.
Verträglichkeit von CBD-Medikamenten
Die häufigsten Nebenwirkungen bei der Behandlung mit Epidyolex sind Benommenheit beziehungsweise krankhafte Schläfrigkeit, verminderter Appetit, Durchfall, Fieber, Müdigkeit und Erbrechen. Die meisten Behandlungsabbrüche in klinischen Studien sind auf die Erhöhung von Transaminasen zurückzuführen – ein mögliches Indiz für eine Lebererkrankung. Auch in einer Studie an Mäusen verursachten hohe Dosen Cannabidiol zum Teil tödliche Leberschäden. Das zeigt, dass sich CBD, ähnliche wie viele andere Medikamente, auf die Leber auswirken kann. Bei einer Therapie mit Epidyolex müssen also regelmäßig die Leberwerte überwacht werden.
CBD zum Schlafen und Co?
Möglich, dass es in Zukunft irgendwann Schlafmittel auf Cannabidiol-Basis geben wird. Bis dahin ist von der Eigentherapie mit CBD dringend abzuraten, egal für welchen Zweck. Cannabinoide gehören in die Hände von Fachleuten. Das zeigen erste Erkenntnisse zur Lebertoxizität, fehlende Langzeitstudien zur tatsächlichen Wirksamkeit unterstreichen dies.
Wenn Sie bereits positive Erfahrungen mit freiverkäuflichen CBD-Produkten gemacht haben, sollten Sie sich ärztlichen Rat einholen und Alternativen zeigen lassen, mit denen Sie Ihre Beschwerden sicherer behandeln können. Selbst wenn Sie bei sich keine negativen Nebenwirkungen beobachten konnten, stellt die Selbstmedikation mit Cannabidiol aktuell ein unkalkulierbares Risiko dar.
Wer einen Führerschein besitzt, muss sich zudem darüber im Klaren sein, dass selbst sehr geringe Mengen an THC in CBD-Produkten von einem Drogenschnelltest in einer Verkehrskontrolle erkannt werden können. Zwar folgt dann ein Bluttest, bei dem der genaue THC-Gehalt im Blut festgestellt wird und Sie im Idealfall vor einer strafrechtlichen Verfolgung bewahrt. Wer jedoch an ein CBD-Produkt geraten ist, das den THC-Grenzwert übersteigt, könnte hier das Nachsehen haben.
Für was ist Cannabidiol gut?
Cannabidiol kann nach aktuellem Stand womöglich angstlösend, antidepressiv, entzündungshemmend, antibakteriell, antipsychotisch und antiepileptisch wirken. Derzeit gibt es aber nur ein zugelassenes CBD-Medikament, das bei zwei seltenen Formen der Epilepsie eingesetzt werden kann.
Wer sollte CBD nicht nehmen?
Jeder, der Cannabidiol ohne ärztliche Verordnung einnimmt, setzt sich einem unkalkulierbaren Risiko aus. Nach jetzigem Stand der Wissenschaft ist nicht geklärt, welche gesundheitlichen Risiken die Verabreichung von CBD birgt. Auch wie und ob CBD-Lifestyle-Produkte überhaupt wirken, ist nicht geklärt.
Was passiert, wenn man CBD nimmt?
Was passiert, wenn man CBD nimmt, lässt sich nicht pauschal sagen und hängt von der Dosis sowie der individuellen Reaktion jedes Einzelnen ab. Vom Freizeitkonsum oder einer Selbstmedikation ist wegen der ungewissen Verträglichkeit nach jetzigem Stand der Wissenschaft abzusehen.