Gewichtsdecke oder Therapiedecke: Was bringt’s ?
ZULETZT Aktualisiert: 25. April 2023
Wer unter einer Gewichtsdecke liegt, soll sich darunter besonders geborgen fühlen. Das höhere Gewicht würde einer Berührung oder gar Umarmung nahekommen, meinen nicht nur die Hersteller. Als Therapiedecken sind sie schon länger bekannt, zuletzt aber haben die extra schweren Bettdecken einen neuen Hype auf dem Verbrauchermarkt erlebt. Dabei wird die Gewichtsdecke meist als vielversprechende Lösung für allerlei Schlafprobleme angepriesen. Vermeintlich viele berichten Gutes über Therapiedecken und auch verschiedene Studien deuten auf eine positive Wirkung bei Schlafstörungen hin. Ein neues Wundermittel ist die Gewichtsdecke für die breite Masse wohl aber nicht.
Was ist eine Gewichtsdecke oder Therapiedecke?
Eine Therapiedecke unterscheidet sich von einer herkömmlichen Bettdecke nur im deutlich höheren Gewicht. Während gewöhnliche Bettdecken zwischen ein paar wenigen hundert Gramm bis maximal knapp über zwei Kilogramm auf die Waage bringen, warten Gewichtsdecken mit einen Vielfachen dessen auf: 6, 8 oder 10 Kilo sind gängige Gewichtsklassen. Als Empfehlung gilt: Eine Gewichtsdecke sollte etwa zehn Prozent des eigenen Körpergewichts ausmachen – wobei immer auch der persönliche Wohlfühlbereich berücksichtigt werden muss.
Gefüllt sind die schweren Bettdecken meist mit Kunststoff- oder Glasperlen, die in kleinere Taschen eingenäht werden, um nicht zu verrutschen. Ebenso kommen natürliche Füllungen wie Reis oder Linsen infrage, etwa bei DIY-Gewichtsdecken. Letzteres ist bei der Reinigung allerdings nicht so unkompliziert wie Glas oder Kunststoff. Da die restlichen Bestandteile einer Therapiedecke wie bei einer herkömmlichen Bettdecke aus Polyester und/oder Baumwolle bestehen, sollte sie sich waschen lassen – für die Maschinenwäsche können die Gewichtselemente in der Regel entfernt werden.
Wofür wird eine Therapiedecke eingesetzt?
Im Therapiebereich werden schwere Decken schon seit Längerem eingesetzt – zum Beispiel bei Kindern mit Autismus, Soldatinnen und Soldaten mit posttraumatischen Belastungsstörungen und Menschen mit Tourettesyndrom. Auch bei anderen psychischen Erkrankungen soll die Therapiedecke Betroffenen geholfen haben, ihre Angstsymptome besser kontrollieren zu können.
Die massentaugliche Gewichtsdecke wird von Herstellern und Händlern einerseits bei allen Arten von Schlafstörungen als Alternative zur Bettdecke empfohlen, andererseits soll sie auch abseits der Nachtruhe bei Stress, Angststörungen, Panikattacken oder ADHS helfen. Erklärt wird der positive Effekt so: Bei angemessenem Gewicht würde ein Tiefendruck auf den Körper ausgeübt werden, der im Gehirn ein ähnliches Signal wie bei einer Massage oder innigen Umarmung auslösen soll. Dieser fördere die Ausschüttung des Glückshormons Serotonin und des Schlafhormons Melatonin, gleichzeitig soll der mit Stress verbundene Cortisolspiegel sinken. Trotz ein paar weniger Studien fehlen jedoch die wissenschaftlichen Belege für die hormonelle Wirkung von Therapiedecken.
Was sagt die Wissenschaft?
Was die Anbieter der massentauglichen Gewichtsdecke in Aussicht stellen, klingt vielversprechend und nach einem guten Geschäft – immerhin geben rund ein Drittel aller Deutschen an, unter Schlafstörungen zu leiden. Eine gewisse Skepsis gegenüber dem angeblichen Super-Gadget gegen Schlaflosigkeit und andere Symptome ist deshalb sicher nicht fehl am Platz. Doch tatsächlich konnten in verschiedenen wissenschaftlichen Studien zu Therapiedecken positive Auswirkungen festgestellt werden.
Studie 1: in der Psychiatrie
Eine US-amerikanische Studie von 2015 hat den Einsatz von Therapiedecken an einer 30-köpfigen Gruppe während eines stationären Aufenthaltes in einer psychiatrischen Klinik untersucht. Die Verwendung der mit rund 13 kg relativ schweren Gewichtsdecke hatte keine negativen Auswirkungen auf den Blutdruck, den Puls und die Sauerstoffsättigung im Blut der Erwachsenen. Bei 60 % stellte sich eine Linderung der Symptome ein. Dafür könnten allerdings auch zwei andere Faktoren verantwortlich gewesen sein: Einerseits wurden die Probanden während ihres Klinikaufenthaltes ganz normal weiterbehandelt, auch medikamentös, andererseits haben sie sich wahrscheinlich mit der Zeit an die neue Umgebung im Krankenhaus gewöhnt und allein deshalb besser geschlafen.
Studie 2: im Schlaflabor
Eine schwedische Studie, ebenfalls aus dem Jahr 2015, hat untersucht, welchen Effekt Therapiedecken auf Menschen mit einer diagnostizierten Insomnie haben können. Die mit 31 Teilnehmenden wieder sehr kleine Studiengruppe bestand aus ansonsten gesunden Erwachsenen, die sich eine Gewichtsdecke mit 6, 8 oder 10 kg aussuchen konnten. Sie wurden vier Wochen lang im Schlaflabor untersucht. Sowohl objektiv als auch subjektiv stellte sich eine Verbesserung der Schlafqualität beim Großteil ein. Die Probandinnen und Probanden schliefen im Schnitt nicht nur messbar ruhiger, sie berichteten auch selbst von spürbar erholsamerem Schlaf.
Studie 3: in der Psychiatrie und danach
Die aktuellste Studie zum Thema ist aus dem Jahr 2020, auch aus Schweden und kann immerhin 120 Teilnehmende inklusive einer Kontrollgruppe vorweisen. Bei allen wurde vorher eine Insomnie und eine psychische Erkrankung wie eine Angststörung, Depression, bipolare Störung oder eine Verhaltensstörung wie ADHS festgestellt. Nach einer vierwöchigen Untersuchung in der Psychiatrie nahmen die Schlafstörungen bei fast allen Teilnehmenden ab, die eine 8 oder wahlweise 6 kg schwere Gewichtsdecke bekommen hatten. Der positive Effekt der Therapiedecke, die die Probandinnen und Probanden behalten durften, hielt bei den meisten auch noch ein Jahr nach der Studie an.
Für wen eignet sich eine Gewichtsdecke?
Die Studienlage zu Therapiedecken scheint verheißungsvoll und ist dennoch zunächst nicht mehr als ein positiver Hinweis auf eine potenzielle Wirksamkeit. Die Autoren der Studie werten ihre Ergebnisse zum Teil selbst lediglich als Anlass, um das Thema weiter zu erforschen. Um hier verlässliche Aussagen treffen zu können, bedarf es mehr und größer angelegter Studien in der Zukunft. Dennoch bleibt ein erster positiver Eindruck.
Es sollte bedacht werden, dass alle Studien Menschen untersucht haben, die eine Vorgeschichte mit Insomnie und häufig damit verbundenen psychischen Störungen hatten. Menschen mit gewöhnlichen Schlafproblemen können eine Gewichtsdecke durchaus ausprobieren. Wer sich damit wohlfühlt, kann möglicherweise schon deshalb besser schlafen. Eine medizinische Behandlung kann eine Gewichtsdecke aber nicht ersetzen. Wer von einer krankhaften Schlafstörung, einer Insomnie oder anderen oben genannten Krankheitsbildern betroffen ist, sollte den Einsatz einer Therapiedecke unbedingt ärztlich abklären lassen.
Wie benutzt man eine Gewichtsdecke?
Eine Gewichtsdecke wird sowohl nachts anstatt einer gewöhnlichen Bettdecke eingesetzt als auch temporär am Tag, etwa um sich zu beruhigen und die Symptome verschiedenster psychischer Störungen zu lindern. Die Gewichtsdecke sollte circa zehn Prozent des eigenen Körpergewichts ausmachen – wichtiger ist jedoch, dass man sich mit dem Gewicht wohlfühlt.
Sind Gewichtsdecken gesund?
Ob Gewichtsdecken gesund sind, ist fraglich und konnte bisher nicht belegt werden. Eine Studie kam aber immerhin zu dem Ergebnis, dass sich die Verwendung einer Gewichtsdecke nicht negativ auf den Blutdruck, den Puls und die Sauerstoffsättigung im Blut der Teilnehmenden ausgewirkt hatte.
Können Gewichtsdecken wirklich unseren Schlaf verbessern?
Ob eine Gewichtsdecke den Schlaf verbessern kann, ist eine sehr subjektive Frage. Einige berichten Positives darüber, andere konnten dadurch keine Verbesserung feststellen. Immerhin legen ein paar wenige Studien nahe, dass Gewichtsdecken bei bestimmten Menschen mit Schlafstörungen und/oder psychischen Problemen positive Effekte haben können.