Als Familienbett bezeichnet man das gemeinsame Schlafen von Eltern und Kindern in einem Bett. Diese ursprüngliche Art des Schlafens wird gerade als „neuer Trend“ unter dem Namen Co-Sleeping wiederentdeckt.
Familienbett – kultureller und historischer Standard
Was heute in der westlichen Welt wie ein neuer Trend oder exotisches Experiment anmutet, war bis vor etwa 150 Jahren auch in unserem Kulturkreis gang und gäbe. Dass Kinder durch alle gesellschaftlichen Schichten hindurch ihre eigenen Betten und sogar Zimmer haben, ist kulturgeschichtlich betrachtet ein junges Phänomen. Selbst beim reichen Adel, dem komfortablere Schlaf- und Wohnmöglichkeiten zur Verfügung standen, war die Amme überwiegend in den Schlafzimmern der Kinder untergebracht.
Je weiter die familiäre Schlafsituation geschichtlich zurückverfolgt wird, desto näher rücken die Familienmitglieder zusammen. Sei es in festen Behausungen mit kombiniertem Schlaf- und Wohnzimmer, das in der Regel nur mit einer Feuerstätte ausgestattet war. Oder auch im Freien, wo der Schutz der Kinder vor Witterung und Wildtieren im Vordergrund stand und über Nähe zu den Eltern gewährleistet wurde.
Schutz im Familienbett
In den zehn Millionen Jahren menschlicher Geschichte nahm das Familienbett in erster Linie die Funktion des Schutzes für den Nachwuchs ein. Das gemeinsame Schlafen sicherte den Erhalt der Gruppe oder, größer gedacht, der Spezies. Noch heute begünstigt das Familienbett die Sicherheit des Kindes. So verringern einige Faktoren des gemeinsamen Schlafens für Säuglinge die Gefahr eines plötzlichen Kindstods (engl.: Sudden Infant Death Syndrome – kurz: SIDS).
Die Atemgeräusche der Eltern animieren das Neugeborene zum Atmen
Der Atem-Zyklus eines Säuglings unterliegt starken Schwankungen. Atemaussetzer von bis zu zehn Sekunden sind dabei völlig normal. Der eigene Atemantrieb ist in den ersten Lebensmonaten noch nicht so ausgeprägt. Hört das Kind die Eltern atmen, wird es sich der eigenen Atmung eher bewusst.
Ammenschlaf: verändertes Schlafverhalten zum Schutz des Babys
Das Schlafverhalten von Eltern verändert sich während der ersten Lebensjahre des Kindes. Die Wahrnehmung von Geräuschen, die mit dem Baby und dessen Sicherheit in Zusammenhang stehen und zum Erwachen führen, wird als Ammenschlaf bezeichnet. Auch die Abwesenheit von Geräuschen, wie bei Atemaussetzern des Kindes, führt durch die im Ammenschlaf veränderten Schlafphasen zum Erwachen der Eltern. Wie stark der Ammenschlaf ausgeprägt ist, hängt nicht zwingend vom Geschlecht der Elternteile ab, sondern scheint mit der Übernahme von Fürsorge für das Kind in Zusammenhang zu stehen. Frühere Studien vermuteten eine besondere Ausprägung durch Schwangerschaftshormone und Umbauprozesse, die während der Schwangerschaft im Gehirn stattfinden. Das nächtliche Erwachen durch Geräusche des Kindes ist jedoch auch bei Vätern, die gleichberechtigte oder hauptsächliche Sorge für ein Kind übernehmen sowie Adoptiveltern zu beobachten.
Die Mutter-Kind-Beziehung im Familienbett
Während der Schwangerschaft wird das Gehirn der Mutter förmlich „umgebaut“. Ungenutzte Bereiche werden beseitigt und neue Verbindungen geschaffen. Die stärkeren Verknüpfungen finden sich in Bereichen, die der Empathie und der Fürsorge gelten. Diese Restrukturierung wird hormonell gestützt. Daher ist es wenig verwunderlich, dass einige Studien belegen, dass Eltern ihr Kind selbst im Schlaf durch unbewusste Berührungen stetig auf Atemstillstände, Überhitzung und extreme Tiefschlafphasen kontrolliert. Da sich die Atemabstände bei Neugeborenen während des Tiefschlafs verlängern, kann es hier zu gefährlichen Atemaussetzern kommen. Ausbleibende Atmung kann von Eltern im sogenannten Ammenschlaf wahrgenommen werden.
Körperkontakt und Stillen im Familienbett
Stillkinder, die im Familienbett schlafen, verlangen nachts häufiger nach der Brust. Mütter, die mit dem Kind gemeinsam im Bett schlafen, erreichen daher während der ersten Monate nicht die Tiefschlafphase. Dafür durchlaufen sie gehäufter die aktiven Schlafphasen. Im Gegensatz zum Tiefschlaf ist während aktiver Schlafphasen eine Wahrnehmung für Außenreize und mögliche Gefahren für das Kind vorhanden. Auch bei den Babys sind die aktiven Schlafphasen gehäufter und die kritischen Tiefschlafphasen seltener. Zudem erhöht sich der immunologische Schutz durch das häufigere Stillen sowie der Sauerstoffgehalt im Blut beim Saugen an der Brust. All das sind Umstände, die das Risiko für SIDS senken und ganz nebenbei die Mutter-Kind-Bindung intensivieren. Der Ausschüttung des Stillhormons Prolaktin wird zudem eine bewusstseinserhöhende Komponente für Warnsignale des Kindes zugeschrieben.
Der natürliche Körperkontakt in Kombination mit der Sicherheit einer ständigen Verfügbarkeit von Nahrung, Wärme und Schutz durch die Mutter fördert die gesamte frühkindliche Entwicklung sowie Ausreifung des Herz-Lungen-Kreislaufsystems.
Häufiger wach und doch erholter im Familienbett
Für stillende Mütter liegen die Vorteile vom Co-Sleeping auf der Hand. Bei einem eingespielten Mutter-Kind-Team können alle Beteiligten sogar leicht weiterschlafen, wenn das Kind nachts an die Brust möchte. Schläft das Kind alleine im eigenen Kinderbett muss die Mutter zum Stillen aufstehen. Das Stillen findet meist im Sitzen statt und erfordert eine wache Mutter, die das Baby sicher hält. Bei der Flaschenfütterung muss die Nahrung erst noch zubereitet werden, während das schreiende Kind anderweitig beruhigt werden muss. Dabei ist zur Fütterung ebenfalls eine längere Wachphase für einen Elternteil notwendig.
Grundvoraussetzungen für ein sicheres Familienbett
Ärzte raten häufig dazu, das Neugeborene im ersten Lebensjahr im Kinderbett mit den Eltern im selben Raum schlafen zu lassen. Dem Arzt sind die genauen Umstände der Schlafsituation aber in der Regel unbekannt. Mit dem pauschalen Rat, ein separates Kinderbett im Elternschlafzimmer aufzustellen, geht er sozusagen auf Nummer sicher. Damit das gemeinsame Schlafen im Familienbett von Anfang an ohne böses Erwachen möglich ist, sollten einige Punkte unbedingt berücksichtigt werden:
1. Im Familienbett dürfen nur Nichtraucher schlafen
Selbst wenn im Schlafzimmer nicht geraucht wird – bei Rauchern legt sich der Zigarettenrauch als Film aus gefährlichen Giftstoffen auf Haut und Haare, mit dem das Kind über Berührungen, aber auch über Laken und Bettwäsche in Berührung kommt. Die noch nicht ausgereiften Organe reagieren überaus empfindlich auf die giftigen Substanzen und können noch nicht so gut abgebaut werden.
2. Alle Personen im Familienbett sind nüchtern
Alkohol, Drogen und einige Medikamente beeinflussen die Schlafphasen. Verlängerte oder gar intensivere Tiefschlafphasen sind die Folge. Die Körperkontrolle- und Wahrnehmung wird durch bewusstseinsverändernde Substanzen stark herabgesetzt. Die Gefahr, das Kind im Schlaf unbemerkt zu überrollen oder die Atmung zu behindern, ist gerade während der Tiefschlafphase besonders stark. Bei einer durch Alkohol oder Drogen künstlich verstärkten Tiefschlafphase, ist Ihr Kind also sicherer, wenn Sie es alleine schlafen lassen. Bei abstinenten, gesunden Personen zeigen Videoüberwachungen in Studien keine Anzeichen dafür, dass Kinder Gefahr laufen, von den Eltern überrollt zu werden.
3. Tiere gehören nicht ins Familienbett
So freundlich Hund und Katze auf den neuen Mitbewohner reagieren mögen, Sie können im Schlaf nicht überwachen, ob das Tier versehentlich eine Gefahr durch Abdecken der Atemwege oder Überhitzung für das Kind darstellt. Die berühmte Katze auf dem Gesicht des Kindes meint es sicher nicht böse und sucht nur Wärme. Hier sollte der Tierliebe jedoch zumindest auf Zeit eine Grenze gesetzt werden.
4. Erwachsene als lebende Trennwände zwischen mehreren Kindern
Kinder haben in der Regel einen unruhigeren Schlaf. Zudem fehlt ihnen oft die Intuition der Elternteile, bei gefährlichen Berührungen zu erwachen. Daher sollte zwischen zwei Kindern immer ein Erwachsener liegen.
5. Die richtige Matratzengröße für das Familienbett
Abhängig davon, wie viele Personen im Familienbett schlafen, sollte die Größe des Bettes ausfallen. Singles mit Kind haben bereits auf einer Matratze 120×200 halbwegs ruhige Nächte. Angenehmer sind die nächstgrößeren Größen – das französische Bett mit einer Matratze 140×200 oder gar die klassische Doppelbett-Matratze 160×200 cm. Für Paare mit Baby beginnt sicheres Schlafen erst ab der sogenannten Queensize-Matratze 180×200 cm. Ideal und luxuriös für alle Beteiligten ist die nächstgrößere Kingsize-Matratze 200×200 cm.
Unabhängig von der Matratzengröße sollte das Baby davor geschützt werden, aus dem Bett zu fallen. Am Familienbett sollte daher unbedingt ein Rausfallschutz angebracht werden. In den ersten Lebensmonaten oder sogar Jahren fehlen das Raumverständnis und die unbewusste Wahrnehmung von Grenzen. Je nach Aktivität des Kindes entwickelt sich eine unbewusste Wahrnehmung dafür früher oder später. Es gibt jedoch auch Erwachsene, die dazu neigen, ab und an aus dem Bett zu fallen.
Nutzen Sie zwei Matratzen im Ehebett, entsteht dazwischen eine sogenannte Besucherritze, die für kleine Kinder zur gefährlichen Falle werden kann. schaffen Sie je nach Bettgröße mit einem Topper 180×200 cm oder einem Topper 200×200 cm eine durchgehende und sichere Liegefläche.
6. Je trister das Familienbett, desto besser
Ob im Babybett oder im Familienbett, die unmittelbare Umgebung eines Säuglings sollte so leer wie möglich gehalten werden. Denn in den ersten Monaten können sich die Kinder nicht selbst aus einer Notlage befreien. Gegenstände wie Kissen – auch Kinderkissen und Babykissen, Tücher oder Kuscheltiere können zu schwerwiegenden Unfällen, Ersticken oder Überhitzen führen. In den ersten Monaten können sich die Kinder oft noch nicht selbst aus einer entstehenden Notlage befreien. Dasselbe gilt für eine Bettdecke, weshalb es ratsam ist, zu einem in der Größe passenden Babyschlafsack zu greifen. Das Risiko des Überdeckens mit der Bettdecke der Eltern kann minimiert werden, indem das Kind etwas höher geschoben wird und etwa auf Kopfhöhe der Erwachsenen schläft.
Lange Zeit galten Fellunterlagen für Kinder als ideal für die Temperaturregulation. Diese speichern jedoch zu viel Wärme und erhöhen damit eher das Risiko des Überhitzens. Babys mögen es kühl – die ideale Schlaftemperatur liegt zwischen 16 und 18 °C.
Familienbett – die Angst vorm Verziehen und nie wieder Ausziehen
Eine der Grundängste vor dem Familienbett betrifft die generelle Unsicherheit vieler Eltern auf dem schmalen Pfad zwischen Verwöhnen und Verziehen. Während die Befürworter des Co-Sleepings die Vorteile gerade bei der Eltern-Kind-Bindung und der psychischen Stabilität des Kindes sehen, warnen Kritiker vor dem Heranziehen unselbstständiger Erwachsener. Dieser gesellschaftliche Druck zur Selbstständigkeit bereits im Säuglingsalter steht im krassen Widerspruch zu der gelebten Realität, wie sie seit Urzeiten bis zur gängigen Großfamilie vor etwa 100 Jahren noch Usus war.
Ein großer Wendepunkt in den Erziehungsansichten in Deutschland hat seine Wurzeln im Dritten Reich. „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“, das propagierte Standardwerk jener Zeit, setzte auch danach in nur leicht abgewandelter Form („Die Mutter und ihr erstes Kind“) bis in die 1980er Jahre Maßstäbe in der deutschen Kindererziehung. Die dort beschriebenen Erziehungsmethoden prägten seither zwei oder gar drei ganze Generationen und somit eine ganze Gesellschaft nach der Maxime: Kinder müssen funktionieren – notfalls durch das Brechen des Willens.
Familienbett – Nähe fördert Selbstständigkeit
In der Regel kann davon ausgegangen werden, dass jedes gesunde Kind allerspätestens in der Pubertät einen ausgeprägten Ablösungsprozess von den Eltern durchlebt. Eigenständigkeit beginnt jedoch viel früher. Schon die ersten Schritte lassen den Nachwuchs sprichwörtlich auf eigenen Beinen stehen. Kinder wollen Grenzen testen und Selbstständigkeit erleben. Häufig sind sie zwischen dem ersten und vierten Lebensjahr ganz ohne Zwang zum Ausquartieren bereit und stolz auf ihr eigenes Reich. Kinder, denen durch viel Nähe Sicherheit vermittelt wird, neigen tendenziell sogar eher dazu, zu starken und unabhängigen Individuen heranzureifen, mit viel Bedarf nach eigenem Gestaltungsspielraum und somit auch dem eigenen Bett.
Wann hört der Ammenschlaf auf?
Der Ammenschlaf wird mit der Selbstständigkeit des Kindes geringer ausgeprägt. Schläft das Kind durch und benötigt nachts keine Hilfe mehr, schlafen die Eltern in der Regel auch wieder ruhiger. Während der Pubertät des Kindes und zunehmender Selbstständigkeit kann der Ammenschlaf fragmentarisch zurückkehren. Hierbei ist weniger das Durchschlafen, sondern vielmehr das Einschlafen betroffen. Tiefere Schlafphasen sind einigen Eltern erst möglich, wenn die Rückkehr des Kindes nach Hause, durch das Klappen der Haustür oder Schritte ins Jugendzimmer, registriert wird.
Wann sollte das Kind aus dem Familienbett?
Das Familienbett ist gut, solange sich alle Beteiligten wohl damit fühlen. Die meisten Kinder wollen spätestens im Grundschulalter von allein in ihr eigenes Kinderbett umziehen. Bedeutet das Familienbett für die Eltern ausschließlich unruhige Nächte, leiden Eltern und Kind unter der Unausgeschlafenheit am Tage. Versuchen Sie stets gemeinsam Lösungen zu finden, die die Bedürfnisse aller Familienmitglieder gleichberechtigt berücksichtigen. Solche Lösungen sind nicht in Stein gemeißelt und können auch situationsbedingt angepasst werden.
Ist Co-Sleeping gefährlich?
Das Co-Sleeping bietet viele Vorteile für ruhigen Schlaf von Eltern und Kind und stärkt deren Bindung. Gerade bei Neugeborenen sollten verschiedene Grundvoraussetzungen für die Sicherheit im Familienbett erfüllt sein. Wer hier Zweifel hat und sichergehen will, kann in den ersten Monaten auch mit einem Beistellbett am Elternbett oder Gitterbett im Elternschlafzimmer die sichere Nähe zum Kind gewährleisten.