Auf dem Boden schlafen: gesund oder nicht?
ZULETZT Aktualisiert: 04. September 2023
Bestimmt haben Sie schon einmal davon gehört: Auf dem Boden schlafen soll gesund sein – für die Wirbelsäule zum Beispiel. Damit kann man etwas gegen seine Rückenschmerzen tun, wird immer wieder behauptet. Wir sind viel zu weit von unserer natürlichen Lebensweise entfernt und müssen wieder zurück zu unserem Ursprung, denken etwa die Fans der Paleo-Bewegung. Auf dem Boden schlafen wäre einfach natürlicher. In vielen Ländern soll das ja auch heute noch üblich sein. Sind wir also zu bequem geworden und schaden damit unserer Gesundheit?
Was heißt auf dem Boden schlafen?
Nicht alle verstehen darunter dasselbe: Auf dem Boden schlafen heißt für die einen tatsächlich auf dem Boden zu liegen. Andere verstehen darunter, auf einer Unterlage zu schlafen, die auf dem Boden liegt. Diese Unterlage kann mal mehr und mal weniger puristisch ausfallen. Von Isomatten, dünnen Matratzen über Futons bis hin zu gewöhnlichen Matratzen – mit und ohne Lattenrost – ist alles dabei, wenn man sich durch Erfahrungsberichte und Anleitungen zum Auf-dem-Boden-Schlafen klickt.
Das Liegegefühl auf einer herkömmlichen Matratze, die auf dem Boden liegt, unterscheidet sich kaum davon, auf einer Matratze zu liegen, die in einem Bettgestell liegt. Bedenken Sie aber, dass eine Matratze auch von unten belüftet werden muss, ansonsten droht Schimmelgefahr. Wollen Sie dauerhaft auf Ihrer Matratze in Bodennähe schlafen, sollten Sie ein extra niedriges Bettgestell samt Lattenrost verwenden, das die Belüftung der Matratzenunterseite sicherstellt. Matratzen mit direktem Bodenkontakt müssen ansonsten täglich zum Auslüften aufgestellt werden.
Warum auf dem Boden schlafen?
Befürwortende dieser Praxis behaupten, die meisten heutigen Matratzen sind viel zu weich und begünstigen eine ungesunde Liegeposition. Der Körper würde im Beckenbereich zu tief einsinken und die Wirbelsäule könne so nicht ihre natürliche Haltung einnehmen. Schlechter Schlaf, Gelenkschmerzen und Muskelverspannungen wären die Folge.
Auch die Schlafmotorik soll durch eine zu weiche Matratze eingeschränkt werden. Normalerweise ändern wir im Schlaf mehrmals unsere Liegeposition, ohne davon richtig aufzuwachen – angeblich bis zu 80 Mal pro Nacht. Das ist wichtig, um die Durchblutung zu fördern und so ein Wundliegen zu verhindern. Um diesen Prozess zu unterstützen, sollte man am besten direkt auf dem Boden schlafen, sagen die Befürwortenden dieser Praxis.
Schlafen wir auf zu weichen Matratzen?
Wenn das Becken im Liegen durchhängt, kann die Wirbelsäule keine entspannte Position einnehmen. Dieser Hängematteneffekt ist aber nicht grundsätzlich ein Problem von zu weichen Matratzen, sondern von flächenelastischen Matratzen – das sind meistens Federkernmatratzen. Gute Schaumstoffmatratzen sind dagegen punktelastisch und können auch in einem weicheren Härtegrad für eine ergonomische Liegeposition sorgen.
… und schränken diese unsere Schlafbewegungen ein?
Dass Matratzen die Schlafmotorik einschränken können, ist bekannt. In der Fachwelt wird vom Lageänderungswiderstand gesprochen. Der ist beispielsweise bei Viscoschaummatratzen relativ hoch. Viscoschaum wird durch Körperwärme weicher und bildet dann Liegekuhlen. Sich aus dieser Liegekuhle herauszubewegen, erfordert mehr Kraft, als es bei einer Schaumstoffmatratze mit hoher Rückstellkraft der Fall ist. Dieser Effekt ist bei Viscoschaummatratzen gewollt, denn durch die Bildung von Liegekuhlen bei Körperwärme wird die Druckentlastung erhöht, was das Wundliegen bei Personen, die viel Zeit im Bett verbringen müssen, reduzieren kann. Eine gute Schaumstoffmatratze weist aber einen geringen Lageänderungswiderstand auf und fördert dadurch die Schlafmotorik.
Wo schläft man heute noch auf dem Boden?
Personen, die sich dem Minimalismus oder der Paleo-Bewegung widmen, argumentieren gerne, dass es auch heute noch in einigen Kulturen üblich sei, auf dem Boden zu schlafen. So zum Beispiel in Japan und Korea. Dort habe man sich diese vermeintlich ursprüngliche Art des Schlafens beibehalten und könne trotzdem gesund und munter den Alltag bewältigen.
Tatsächlich ist es sowohl in Japan als auch Korea nicht ungewöhnlich auf dem Boden zu schlafen. Zwar nicht direkt auf dem Fußboden, aber auf einer – für unsere Verhältnisse – sehr dünnen Matratze beziehungsweise einem Futon. Allerdings ist das Auf-dem-Boden-Schlafen dort längst nicht mehr Standard. Westliche Betten verbreiten sich in Japan und Korea immer mehr. Schätzungen zufolge bevorzugt aber noch immer rund die Hälfte der Bevölkerung ein traditionelles Schlaflager am Boden.
Gut zu wissen: In Japan und Korea wird nicht nur traditionell auf dem Boden geschlafen, auch sonst spielt sich das Leben viel auf dem Boden ab. Wann immer man beisammensitzt, zum Beispiel beim Essen, findet das auf dem Boden statt. Schuhe müssen deshalb immer draußen bleiben. In Korea wird außerdem fast ausschließlich über den Boden geheizt. Kurzum, der Boden ist dort deutlich einladender, als wir es in Europa gewohnt sind.
Beim Auf-dem-Boden-Schlafen aber grundsätzlich von etwas Ursprünglichem zu sprechen, stimmt nicht ganz. War es dem Menschen möglich, so hatte er sich auch schon früher weg vom Boden gebettet – zum Beispiel in Hängematten oder auf Vorläufern der heutigen Betten. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass es auch heute Menschen gibt, die auf dem Boden schlafen, weil ihnen nichts anderes übrig bleibt.
Ist es gesund, auf dem Boden zu schlafen?
Obwohl selbst Fachleute immer wieder zu harten Matratzen bei Rückenschmerzen raten, gibt es für diese Empfehlung keine wissenschaftlichen Belege. Demnach fehlen auch Belege, dass das direkte Auf-dem-Boden-Schlafen gesund ist. Die einzig nennenswerte Studie, die einen Zusammenhang zwischen der Liegehärte und unspezifischen Rückenschmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule untersucht hat, kommt zu dem Ergebnis, dass nicht die Verwendung harter, sondern mittelharter Matratzen eine Verbesserung der Symptome im Liegen, beim Aufstehen und auch am Tag zur Folge hatte.
Weil direkt auf dem Boden zu schlafen, am ehesten dem Liegen auf einer harten Matratze ähnelt, lässt sich daraus ableiten, dass sich damit aller Voraussicht nach keine Rückenschmerzen kurieren lassen. Ob das jedoch für einen gesunden Rücken schädlich ist, bleibt offen.
Auch ansonsten kann der wissenschaftliche Blick auf das Schlafen am Boden wenig Gutes daran finden: Das von uns ausgeatmete Kohlenstoffdioxid ist schwerer als der lebensnotwendige Sauerstoff. In einem windstillen geschlossenen Raum ist die Konzentration von Kohlendioxid (CO₂) in Bodennähe also höher und der Sauerstoffgehalt geringer. Zwar nicht in einem für uns gefährlichen Ausmaß, dennoch wäre es denkbar, dass der Körper mehr arbeiten muss, um die optimale Menge an Sauerstoff aufzunehmen. Dieser zusätzliche Aufwand könnte die nächtliche Erholung mindern.
Menschen mit Hausstaubmilbenallergie sollten außerdem bedenken, dass die Nähe zum Boden auch bedeutet, dass mehr Allergene eingeatmet werden können.
Warum schlafen Japaner und Koreaner auf dem Boden?
Wenn aus wissenschaftlicher Sicht wenig für das Auf-dem-Boden-Schlafen spricht, warum tun es dann Millionen Menschen in Japan und Korea bis ins hohe Alter? Es wird Gewohnheit und die Anpassungsfähigkeit des Menschen sein. Wer sein ganzes Leben lang auf dem Boden schläft und sitzt, entwickelt eine vollkommen andere Muskulatur und Bewegungsfähigkeit als jemand, der an Stuhl und Bettgestell gewohnt ist. Während wir uns eher schwertun, uns einigermaßen elegant auf den Boden zu setzen und dort zu verweilen, gelingt das den meisten Menschen in Japan und Korea mit verblüffender Leichtigkeit.
Gut zu wissen: Auch für uns ist es möglich, sich an eine neue Schlafunterlage zu gewöhnen. Bereits bei einer herkömmlichen Matratze kann das bis zu zwei Wochen in Anspruch nehmen. Je stärker die Veränderung, umso länger die Umgewöhnung. Gegen eine lebenslange Gewohnheit anzukämpfen, sollten Sie sich gut überlegen.