Narkolepsie – vom Schlaf überfallen
ZULETZT Aktualisiert: 22. Juli 2024
Narkolepsie ist eine seltene neurologische Erkrankung, die nach derzeitigem Stand nicht heilbar ist. Betroffene sind von ungewollten Einschlafattacken und einem vorübergehenden Verlust der Muskelkontrolle geplagt. Schätzungsweise sind allein in Deutschland 40.000 Menschen betroffen. Die Schlafkrankheit entwickelt sich schleichend und kann bei Mensch und Tier auftreten. Dabei sind die Ursachen noch weitgehend unklar, als Auslöser steht unter anderem die Impfung gegen Schweinegrippe im Verdacht. Welche Symptome und Folgen die Schlafkrankheit neben dem plötzlichen Einschlafen birgt und welche Möglichkeiten es zur Behandlung gibt, erfahren Sie hier.
Historisches
Im Jahre 1877 beschrieb der deutsche Arzt Carl Westphal erstmals das Krankheitsbild der Narkolepsie. Den Begriff prägte der französische Arzt Jean-Baptiste-Edouard Gélineau erstmals in seiner Publikation „Von der Narkolepsie“, nachdem ihm 1880 sein erster Patient mit diesen typischen Schlafattacken begegnet war. Der 38-jährige Patient berichtete von ungewöhnlichen Symptomen. Er schlief bis zu 200 Mal am Tag ungewollt ein. Nach intensiver Forschung gelang es Gélineau, das Krankheitsbild der Narkolepsie klar von Epilepsie abzugrenzen. Dies ebnete den Weg für die weitere medizinische Erforschung. 1902 wurde Kataplexie erstmalig als Symptom der Schlafkrankheit erwähnt. Der Begriff beschreibt den vorübergehend auftretenden Verlust über die Muskelkontrolle, was im Affekt durch zu starke Gefühlsregung ausgelöst wird.
Symptome und Krankheitsbild
Narkolepsie kann genetisch oder organisch bedingt sein. Die Erkrankung tritt zumeist zwischen dem 15. und 40. Lebensjahr auf. Auch Kinder können betroffen sein. Obwohl die Krankheit das tägliche Leben der Betroffenen stark beeinträchtigt, verläuft die Krankheit schmerzfrei und beeinflusst die Lebenserwartung kaum. Da sich die Krankheit schleichend entwickelt und viele Symptome sehr unspezifisch sind, lässt sie sich nur schwer diagnostizieren. Charakteristisch für Narkolepsie sind plötzliche, ungewollte Einschlafattacken und Kataplexien, wobei die Schlafkrankheit auch ohne diese verlaufen kann.
Spezifische Symptome
Tagesmüdigkeit und Einschlafattacken
Betroffene leiden an einer ausgeprägten Tagesmüdigkeit, die mit ungewollten Einschlafattacken einhergeht. Besonders in eintönigen Situationen wie beim Fernsehen oder als Beifahrer im Auto nicken Betroffene plötzlich weg – für Minuten bis hin zu einer Stunde. Die Schlafattacken führen zu einem erheblichen Unfallrisiko der Patienten. Im Privatleben und Beruf ist die Leistungsfähigkeit stark eingeschränkt. Nicht selten werden Betroffene stigmatisiert. Dies führt zu einer erheblichen psychischen Belastung, so dass sich Narkoleptiker recht häufig aus dem sozialen Umfeld zurückziehen und unter dauerhaften depressiven Verstimmungen leiden.
Kataplexie Symptome
Neben Tagesmüdigkeit und Einschlafattacken ist Kataplexie ein weiteres Hauptsymptom der Krankheit. Alltägliche Emotionen wie Begeisterung, lachen und Ärger können Kataplexie hervorrufen. Je nach Schweregrad der Attacke kann es zu weichen Knien und Erschlaffen von Gesichts- und Halsmuskeln bis hin zum vollständigen Zusammensinken der Betroffenen kommen. Der Zustand dauert wenige Sekunden bis Minuten an und endet abrupt. Im Unterschied zum epileptischen Anfall sind die Patienten mit Kataplexie-Symptomen bei vollem Bewusstsein.
Unspezifische Narkolepsie-Symptome
Halluzinationen, Schlafparalysen und gestörter Nachtschlaf
Narkoleptiker schlafen in der Regel sehr schnell ein und verfallen, anders als gesunde Menschen, direkt in die Tiefschlafphase. In ihrem Ablauf sind Tiefschlaf- und Traumphasen verändert. Betroffene wachen in der Nacht regelmäßig auf und liegen oft mehrere Stunden wach. Häufige Narkolepsie-Symptome sind Albträumen. Darüber hinaus kann es zu Schlafparalyse in Begleitung von Halluzinationen beim Einschlafen und Aufwachen kommen. Betroffene sind in diesem Zustand für eine Zeit lang bewegungs- und handlungsunfähig.
Formen der Narkolepsie
Narkolepsie mit Kataplexie-Symptomen
Narkolepsie mit Kataplexie ist die häufigste Form der Schlafkrankheit. Neben Tagesschläfrigkeit und Einschlafattacken kommt es bei rund 90 Prozent der Betroffenen zu Kataplexie. Da diese Schlafkrankheit-Symptome fast ausschließlich in dieser Kombination auftreten, kann Kataplexie eindeutig der Narkolepsie zugeordnet werden.
Narkolepsie ohne Kataplexie-Symptome
Bei schätzungsweise zehn Prozent der Narkolepsie-Patienten fehlen Kataplexie-Symptome. Eine Diagnosestellung gestaltet sich dadurch noch schwieriger. Tagesschläfrigkeit tritt isoliert oder zusammen mit mehreren uneindeutigen Schlafkrankheit-Symptomen wie Schlaflähmung oder gestörtem Nachtschlaf auf.
Sekundäre Narkolepsie
Bei der sekundären Narkolepsie entsteht die Krankheit durch äußere Einwirkung. Sie ist eine Folgeerscheinung, die aus der Verletzung des Gehirns oder des Nervengewebes entsteht. So können Schlaganfälle, Schädel-Hirn-Traumata, Tumore oder Krankheiten des zentralen Nervensystems eine Narkolepsie-Ursache sein.
Wenn Tiere erkranken
Neben dem Menschen ist die Erkrankung bei Tieren bekannt. Seit 1973 wird Narkolepsie bei verschiedenen Hunderassen wie Dobermann und Labrador festgestellt. Auch unter Pferden ist die Schlafkrankheit verbreitet. Tritt bei Pferden Kataplexie auf, sacken die Tiere in sich zusammen und stürzen auf den Boden. Bei Tieren ist die Krankheit ebenfalls nicht heilbar. Zur Abmilderung werden Medikamente verschrieben, welche die Anfälle unterdrücken.
Narkolepsie-Ursachen beim Menschen
Zur Ursache der Krankheit gab es lange Zeit verschiedene Theorien und die Vermutung, Narkolepsie sei eine Autoimmunkrankheit. Letztendlich gelang es einem Schweizer Forscherteam im Jahre 2018, die Ursache von Narkolepsie nachzuweisen. Demnach wird die neurologische Erkrankung durch den allmählichen Verlust von Nervenzellen in einer bestimmten Gehirnregion, die den Botenstoff Hypocretin produziert, ausgelöst. Eine fehlgesteuerte Immunreaktion beeinträchtigt oder zerstört die Zellen. Warum das passiert, ist nicht geklärt. Hypocretin hat einen wesentlichen Einfluss auf die Regulation von Schlaf und Wachheit.
Impfstoffe als Auslöser für Narkolepsie
Narkolepsie wird ab und an in Zusammenhang mit Impfungen gebracht. Insbesondere bei der Schweinegrippe-Impfung wurden mehrere Fälle festgestellt, die in Zusammenhang mit den unkontrollierten Schlafattacken stehen. In den Jahren 2009 und 2010 kam es in Skandinavien zu einer regelrechten Epidemie von Narkolepsie-Erkrankungen, nachdem sich Betroffene gegen die Schweinegrippe impfen ließen. Bei der Vielzahl verabreichter Dosen des Impfstoffes Pandemrix wurden mehrere Tausend Fälle der Schlafkrankheit in Verbindung mit dem Impfstoff gebracht. Auch Kinder und Jugendliche im Alter von vier bis 19 Jahren waren betroffen. Nach bisherigen Untersuchungen liegt der Verdacht nah, dass Pandemrix das Risiko für die Schlafkrankheit erhöht.
Diagnosestellung
Vom Auftreten der ersten Symptome bis zur Diagnosestellung vergehen durchschnittlich zehn Jahre. Um die Krankheit zu diagnostizieren, werden die Krankheitsgeschichte des Patienten aufgenommen sowie Schlaflabor– und Nervenwasseruntersuchungen durchgeführt. Dabei wird der Hypocretinwert untersucht. Bei Narkolepsie ohne Kataplexie wird ein Multipler Schlaflatenz-Test durchgeführt, um Hinweise einer sich entwickelnden Erkrankung zu erkennen. Betroffene werden dazu mehrmals am Tag in einen abgedunkelten Raum gelegt und aufgefordert, schnellstmöglich einzuschlafen. Bei Bestehen der Schlafkrankheit sollte die Tiefschlafphase mindestens zweimal zu früh eintreten. Anhand dessen lässt sich die Tagesmüdigkeit objektiv bestimmen und als Symptom der seltenen Schlaferkrankung eingrenzen.
Therapie der Schlafkrankheit
Nach derzeitigem Stand ist Narkolepsie eine lebenslang andauernde Krankheit. Bestimmte Medikamente können die Symptome abmildern. Psychostimulanzien helfen, am Tag wacher zu sein, um den Schlafrhythmus zu stabilisieren. Antidepressiva mildern Kataplexie-Symptome, Halluzinationen und Schlaflähmungen ab. Allerdings ist die medikamentöse Behandlung umstritten, da vermehrt Nebenwirkungen auftreten und die Symptome lediglich unterdrückt werden ohne die Ursachen der Schlafkrankheit zu beheben. Die medikamentöse Behandlung kann bei schwerem Krankheitsverlauf ein Schritt zurück in eine Normalität sein und Berufsfähigkeit sowie Fahrtüchtigkeit bewahren.
Sinnvoller ist die Kombination mit Medikamenten und der Einhaltung der Schlafhygiene. Die Gestaltung besserer Lebensgewohnheiten und Verhaltensweisen trägt dazu bei, einen gesunden Schlaf zu fördern.
Was ist Narkolepsie?
Die neurologische Erkrankung führt zu unvermittelten Schlafattacken und gehört zu den Schlafkrankheiten, die den Alltag der Betroffenen stark einschränken können. Der vorübergehende Verlust der Muskelkontrolle kann zu gefährlichen Unfällen im Straßenverkehr und Sturzverletzungen führen.
Ist Narkolepsie eine Behinderung?
Die dauerhafte Beeinträchtigung durch den massiv gestörten Schlaf-wach-Rhythmus ist als Behinderung anerkannt. Damit können Betroffene Gesetze und Regelungen zum Nachteilsausgleich in Anspruch nehmen. Mit der medizinisch wirksamen Behandlung der Symptome kann die Berufs- und Verkehrsfähigkeit in vielen Fällen sichergestellt werden.
Kann man mit Narkolepsie arbeiten?
Ob der Beruf mit der Schlafkrankheit ausgeübt werden kann, hängt zum einen von der Intensität und Häufigkeit der Symptome ab, zum anderen von der Art des Arbeitsplatzes. Selbst Berufe, die eine Fahreignung verlangen, können theoretisch von Betroffenen ausgeübt werden. Wichtig ist der besonnene Umgang mit den Ausfällen und die Einhaltung angepasster Ruhezeiten.